Zwischen Frohsinn und Tristesse – Wie sieht es mit der Sicherheit in Köln aus? 

Ein Interview mit Volker Görzel, Kandidat der FDP für die Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Köln  

Mit Spannung wird das Ergebnis der Kommunalwahl in Köln erwartet, der viertgrößten Stadt Deutschlands. Seit Wochen kämpfen die Kandidaten um die Nachfolge von Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt. Diese hatte noch vor wenigen Wochen die Verwahrlosung in der Stadt beklagt und dabei viel Zuspruch, aber auch heftige Kritik einstecken müssen. Fest steht, dass den künftigen Oberbürgermeister der rheinischen Metropole, die für ihren Frohsinn bekannt ist, immense Probleme erwarten. Eines dieser Probleme ist neben der von Reker angesprochenen Verwahrlosung des öffentlichen Raums der Drogenhotspot Neumarkt. Mitten in der Stadt, sozusagen sichtbar für alle, hat sich die Drogenszene niedergelassen. Gewerbetreibende und Geschäftsinhaber beklagen seit geraumer Zeit die unhaltbaren Zustände. Das ist jedoch nur eines der großen Probleme der Stadt, in der das subjektiv empfundene Sicherheitsgefühl der Bürger in den Blick genommen werden muss. Nicht erst seit der Silvesternacht 2015, in der mehr als 600 Frauen Opfer sexueller Straftaten wurden, besteht hier dringender Handlungsbedarf. Das Thema „urbane Sicherheit“ muss großgeschrieben werden. Wie man dem begegnen kann, darüber gehen die Meinungen in den Parteien im Kölner Rat auseinander. Volker Görzel, OB-Kandidat der FDP, führt seit Wochen einen Wahlkampf, der die Probleme der Stadt klar benennt.

Herr Görzel, Sie sind mitten im Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters in Köln stark gefordert. Erinnern Sie sich noch an die Vorkommnisse am 5. Februar 2020? Was genau ist damals geschehen?
Daran erinnere ich mich noch sehr genau. In Thüringen wurde Herr Kemmerich auch mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Dies hat ein politisches Empörungsbeben ausgelöst, das bis Köln spürbar war. Linke Gruppen/Antifa stürmten daraufhin im Kölner Rathaus eine Sitzung der FDP-Fraktion. Einzelne Fraktionsmitglieder wurden bedroht und genötigt. Die FDP-Geschäftsstelle wurde in den Folgetagen Opfer von Sachbeschädigungen. Der Staatsschutz empfahl den Mitarbeitern der Geschäftsstelle, von zu Hause aus zu arbeiten.

Stimmt es, dass linksextreme Gruppen, die in Köln aktiv sind, von Politikern eines anderen Lagers sogar öffentlich aufgefordert wurden, das Büro Ihrer Partei „zu besuchen“?
Ja, das trifft zu. Über Facebook haben grüne Lokalpolitiker dazu aufgerufen.

Haben Sie persönlich weitere Erfahrungen mit extremen Drohungen oder Übergriffen in Köln gemacht? Wie gehen Sie als Demokrat mit solchen Angriffen auf das politische Engagement um?
Ja, ich habe öfter schon Bedrohungen von links, aber auch von rechts, bekommen. Der Stand der FDP auf dem CSD in diesem Juli musste nach Übergriffen, besser Angriffen, von linken Gruppierungen vorzeitig aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Oder nehmen wir das letzte Wochenende: Da wurde die SPD-Zentrale in Köln von linken Gruppen aus dem „Anti-Rheinmetall-Camp“ mit Farbe beschmiert.

Besonders brisant ist der Beschluss des Rates, ein linksautonomes Zentrum mit ca. 1,2 Mio. Euro aus städtischen Mitteln zu fördern – obwohl dort unter anderem auch gewaltbereite Gruppen verankert sind. Währenddessen wurden anderen Projekten, die demokratisch wertvolle Arbeit leisten, die Zuschüsse gekürzt. Können Sie schildern, wie es zu diesem Beschluss kam?
Seit vielen Jahren wird das Autonome Zentrum in Köln seitens der Stadt Köln unterstützt. Aufgrund von Baumaßnahmen muss das Autonome Zentrum von der Luxemburger Straße nach Kalk in eine von der Stadt Köln zur Verfügung gestellte Immobilie umziehen. Dieser Umzug nebst Renovierung des neuen Gebäudes kostet 1,2 Mio. EUR. Aufgrund eines Ratsbeschlusses zahlt dies der Kölner Steuerzahler.

(In Wikipedia in folgender Eintrag zu finden: Das Autonome Zentrum Köln steht immer wieder in der Kritik. Als Vernetzungspunkt der Linken Szene wird dem Autonomen Zentrum oftmals eine fehlende Abgrenzung zu gewalttätigen Ereignissen und linksextremistischem Gedankengut vorgeworfen. Dies geschieht mitunter auch durch Parteiinitiativen. Oftmals erfährt das Hausbesetzerkollektiv allerdings auch positive Rückmeldungen und wird als Nachbar willkommen geheißen. Sogar die CDU, wenn sie auch nicht zum Klientel des linkspolitischen Projekts gehört, spricht sich für das AZ aus, da es „eine Bereicherung der Vielfalt Kölns darstellt“. Aufgrund der Position des Zentrums im Kontext der Hausbesetzungen kommt es häufig zu Aufeinandertreffen und Streitgesprächen bezüglich der Art des Fortbestehens des AZ. https://de.wikipedia.org/wiki/Autonomes_Zentrum_Köln)

Wenn ich Sie richtig verstehe, war Ihre Fraktion die Einzige, die gegen diesen Antrag gestimmt hat?
Ja, wir haben dagegen gestimmt. Wir haben sogar in diesem Juli im Stadtrat noch einmal beantragt, die 1,2 Mio. statt ins Autonome Zentrum in die Jugendarbeit zu investieren. Leider wurde der Antrag abgelehnt.

Glauben Sie, dass solche Beschlüsse langfristig das Vertrauen der Bürger in die Politik der Stadt beschädigen?
Das kann schon sein. Allerdings möchte ich betonen, dass in politischen Prozessen eins mit dem anderen zusammenhängt. Einzelne Beschlüsse herauszunehmen und anzuprangern, kann dann auch leicht zu Verzerrungen oder bestimmten Framings führen.

Der Neumarkt gilt seit Jahren als Drogenhotspot Kölns. Wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Da müssen wir differenzieren: Einerseits hat die Koalition im Stadtrat aus Grünen und CDU zu lange weggeschaut. Es wurde ausschließlich auf Unterstützung für die Drogenkranken gesetzt. Andererseits hat sich durch „neue“ Drogen wie Crack die Situation in den letzten zwei Jahren massiv verschärft.

Viele Bürger haben den Eindruck, dass diese Situation von der Politik hingenommen oder gar gewollt ist. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja. Für große Teile der Kölner Parteien ist der Begriff „repressive Maßnahmen“ Teufelszeug.

Welche direkten finanziellen Belastungen entstehen der Stadt durch die Zustände am Neumarkt (Polizei, Sozialarbeit, Reinigung etc.)?
Das ist schwer zu beziffern. Zu den Kosten für die Unterstützungsmaßnahmen, die alle richtig und wichtig sind, kommen natürlich Sekundärkosten wie Umsatzverluste bei Einzelhändlern etc.

Alle Parteien betonen derzeit, sich am sogenannten Zürcher Modell orientieren zu wollen. Wie realistisch ist eine konsequente Umsetzung in Köln nach der Kommunalwahl?
Das hängt von den Mehrheiten ab. In der Sitzung des Stadtrates vom 4. September wurde ja noch einmal deutlich, dass es bei den politischen Parteien unterschiedliche Akzentuierungen bei dem Begriff „repressiv“ gibt. Grüne, Volt, Linke wollen das schlicht nicht.

Sehen Sie andere europäische oder deutsche Beispiele, von denen Köln lernen könnte?
Auch in Wien gibt es gute Ansätze. Dortmund geht einen eigenen Weg. Frankfurt am Main steuert gerade um. Das hängt auch von städtebaulichen Gegebenheiten ab.

Sicherheit hat immer zwei Dimensionen: objektive Fakten und das subjektive Empfinden der Bürger. Wie sehen Sie diese Unterscheidung im Kölner Kontext?
Ohne Zweifel: Die „gefühlte“ Unsicherheit hat zugenommen.

Welche gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen haben nach Ihrer Einschätzung dazu geführt, dass Köln heute in Teilen als unsicher empfunden wird?
Die scheidende Oberbürgermeisterin hat zu Recht diese Diskussion unter dem Oberbegriff „Verwahrlosung“ zusammengefasst.
Es geht im Kern immer um die gleiche Frage: Sehen wir Köln als dynamische, wachsende Metropole mit Strahlkraft? Oder soll es ein ideologiegetriebenes Veedelsdorf mit Schmuddelcharme sein? Ich stehe für die erste Variante.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die urbane Sicherheit in Köln in den kommenden fünf bis zehn Jahren?
Wir müssen in Köln einen breiten Schulterschluss aller sicherheitsrelevanten Akteure hinbekommen: Politik, Polizei, Verwaltung – eigentlich mit der ganzen Stadtgesellschaft. Zürich zeigt uns, dass wir eine sichere Stadt nur hinbekommen, wenn es eine Art „Vertrag“ darüber gibt, der von allen Playern einer Stadtgesellschaft getragen wird. Das ist ein spannender Prozess, der zwar Leadership erfordert, sich aber am Ende lohnt.

Welche konkreten Maßnahmen würden Sie als Oberbürgermeister sofort anstoßen, um das Sicherheitsgefühl der Kölner Bürger zu stärken?

  1. Mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt
  2. Saubere KVB – die KVB ist weder Kneipe noch Drogenkonsumraum
  3. 24/7-Wache auf dem Neumarkt

Lieber Herr Görzel, ich danke Ihnen für das Gespräch. Das Gespräch führte Norbert Adam Froitzheim.

Zum Themenschwerpunkt:  „Urbane Sicherheit“ ist weit mehr als die Abwesenheit von Kriminalität. Sie bildet ein zentrales Fundament gesamtgesellschaftlicher Resilienz, also der Fähigkeit einer Gesellschaft, Krisen zu überstehen, ohne in dauerhafte Instabilität abzugleiten. Gerade in Ballungsräumen, in denen ein Großteil der Bevölkerung lebt und wirtschaftliche wie kulturelle Knotenpunkte liegen, entscheidet das Sicherheitsgefühl der Bürger über Vertrauen in Institutionen, über soziale Kohäsion und letztlich über die Stabilität demokratischer Strukturen.

Wenn öffentliche Räume als unsicher gelten, wenn Drogenhandel oder Gewalt sichtbar den Alltag prägen, sinkt nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern auch die Bereitschaft zur aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ein solches Klima begünstigt Rückzug, Misstrauen und Parallelstrukturen – Faktoren, die die Widerstandskraft einer Gesellschaft unterminieren.

Umgekehrt stärkt eine konsequent gestaltete urbane Sicherheit die Resilienz: Sie ermöglicht Mobilität, wirtschaftliche Entfaltung, kulturellen Austausch und stärkt das Vertrauen der Bürger in den Staat. Prävention, eine sichtbare und präsente Polizei, städtebauliche Maßnahmen zur Vermeidung von Angsträumen sowie die Einbindung von Zivilgesellschaft und Wirtschaft sind hierbei entscheidend. Urbane Sicherheit wirkt damit wie ein Multiplikator: Sie schützt nicht nur den Einzelnen, sondern stabilisiert das Gemeinwesen insgesamt.

Volker Görzel ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Kiel, der University of Surrey (UK) sowie der University of Chicago. Seit seiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2000 ist er nach Tätigkeiten als Mitarbeiter einer internationalen Großkanzlei und Partner einer mittelständigen Sozietät seit 2011 Gründungspartner von HMS.Barthelmeß Görzel Rechtsanwälte. Görzel ist ist Oberbürgermeisterkandidat undFraktionsvorsitzender der Freien Demokraten Köln und Wahlkreiskandidat für Köln-Niehl und Longerich.

Eine Antwort zu „Zwischen Frohsinn und Tristesse – Wie sieht es mit der Sicherheit in Köln aus? “

  1. Avatar von Martin Kirchner-Anzinger
    Martin Kirchner-Anzinger

    Solchermaßen Klartext mit Augenmaß auch von anderen Parteien und Kandidaten zu hören, das wäre Köln zu wünschen! Aber mehr als vielfältige Wortakrobatik um Herz und Haltung ist dort kaum vernehmbar, noch weniger zur konkreten Umsetzung.


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