Ukraine – Zwei Beutejäger und ein unentschlossenes Europa
Dr. Klaus Olshausen – Mai 2025. –
Das überarbeitete Wiederaufbau-Investitionsabkommen zwischen den USA und der Ukraine vom 30. April kann ein erster Schritt zu erneuerter Zusammenarbeit sein – nach dem Zerwürfnis Ende Februar. Seit Wochen unterstützt die Ukraine den von den USA geforderten bedingungslosen Waffenstillstand, während der Kreml weiterhin kapitulationsartige Bedingungen stellt und seine massiven Angriffe auf das gesamte ukrainische Staatsgebiet ausweitet.
Die Rufe aus Europa, die Ukraine müsse in eine „starke Verhandlungsposition“ gebracht werden, bleiben wirkungslos, da sie weder durch verstärkte militärische Hilfe noch durch verschärfte Sanktionen untermauert werden. Sollte Donald Trump, wie vermutet, die Geduld mit Russland verlieren, könnten koordinierte Sanktionen und verstärkte Waffenlieferungen den russischen Zeitgewinn-Ansatz durchkreuzen. Putins Ziel ist die vollständige Unterwerfung der Ukraine – Trumps Ziel ist ein rasches Ende des militärischen Konflikts, das er als „Frieden“ verkaufen will.
Ein echtes „Stoppschild“ für Russland muss Sicherheitsgarantien enthalten. Wenn ein NATO-Beitritt der Ukraine nicht realisierbar ist, muss eine „Koalition der Willigen“ unmissverständlich klarstellen, dass sie im Rahmen von Artikel 51 der UN-Charta jeden neuen Angriff gemeinsam abwehren wird. Ohne diese Zusage wird Putin seine revisionistischen Ziele gegen die Ukraine und Europa weiterverfolgen. Die Aussage von Bundeskanzler Scholz vom 6. April 2022 bleibt daher richtig: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“
Analyse
Am 30. April unterzeichneten die USA und die Ukraine ein neues Wirtschaftsabkommen zur Unterstützung des Wiederaufbaus und zur gemeinsamen Erschließung bedeutender Rohstoffvorkommen in der Ukraine. Anders als der ursprüngliche Vertragsentwurf, der als Ausbeutungsinstrument kritisiert wurde, handelt es sich nun um eine partnerschaftlichere Vereinbarung. Der US-Finanzminister betonte bei der Unterzeichnung, das Abkommen sei ein klares Signal für eine zukünftige, freie, souveräne und prosperierende Ukraine.
Ob das Abkommen tatsächlich ein Schritt zu verlässlicher Zusammenarbeit wird, hängt wesentlich von der weiteren US-Politik ab. Die Ankündigung militärischer Unterstützung in Höhe von 50 Millionen US-Dollar sowie die Unterstützung der ukrainischen F-16-Flotte sind zwar erste Zeichen, reichen aber nicht aus. Trump fordert einen 30-tägigen Waffenstillstand – die Ukraine hat diesem bereits bedingungslos zugestimmt. Putin hingegen verlangt die Anerkennung weitreichender Forderungen, die de facto die Souveränität der Ukraine aufheben würden.
Dazwischen liegt Trumps sogenannter „16-Punkte-Friedensplan“, der der Ukraine durch angedrohten Unterstützungsentzug eine Kapitulation abverlangen will. Gleichzeitig bietet Trump Russland wirtschaftliche Anreize und Kooperationen an – etwa im Energiesektor –, um es zu einem Einlenken zu bewegen. Die USA wandeln sich damit unter Trump vom Unterstützer der Ukraine zum eigeninteressierten Deal-Maker, der primär auf ein Ende des „Tötens“ aus ist – unabhängig von territorialen und politischen Folgen für die Ukraine.
Die europäischen NATO-Staaten und die EU wirken in dieser Situation passiv. Zwar wurde auf der Friedenskonferenz in der Schweiz am 15./16. Juni 2024 der 10-Punkte-Friedensplan von Präsident Selenskyj von 83 Staaten unterstützt, seither folgen aber kaum konkrete Initiativen. Stattdessen begnügt man sich mit vagen Aussagen über eine „starke Verhandlungsposition“ der Ukraine, ohne eigene Lösungsvorschläge in die Gespräche mit der Trump-Administration einzubringen.
Besonders problematisch ist die schwache militärische Unterstützung seit Beginn der russischen Intensivangriffe. Aus Angst vor „Eskalation“ schreckt der Westen weiterhin vor entschiedener Reaktion zurück, während Russland seine Zerstörung fortsetzt. Sollte Trumps angeblicher Frust über Russland zutreffen, müssten die USA und Europa gemeinsam handeln – mit klaren Sanktionen und militärischer Verstärkung der ukrainischen Abwehr.
Putins Ziel bleibt die territoriale Eroberung, Trumps Ziel die Beendigung des Krieges um jeden Preis – selbst wenn dies Putins Expansion fördert. Ein echter Waffenstillstand erfordert daher zwingend glaubwürdige Sicherheitsgarantien. Die stärkste Option bleibt die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Wenn dies nicht konsensfähig ist, muss Artikel 51 der UN-Charta greifen – mit einer klaren, militärisch unterlegten Zusage einer Koalition von Schutzstaaten. Nur so kann verhindert werden, dass Putin den Waffenstillstand zur weiteren Destabilisierung nutzt.
Die Warnung von Olaf Scholz aus dem Jahr 2022 bleibt somit aktuell: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“
Der Beitrag erschien in ISPSW Strategy Series: Focus on Defense and International Security, Issue No. 1124, Mai 2025
Über den Autor: Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen war von 2006 bis 2013 Präsident der Clausewitz-Gesellschaft. Zuvor war er Deutscher Militärischer Vertreter im Militärausschuss der NATO, bei der WEU und EU, HQ NATO, Brüssel. Dr. Olshausen gehört dem Fachbeirat des Sicherheitsforum Deutschland und ist Mitbegründer dieser Initiative.