Ein Kommentar von Politikwissenschaftler und Amerikaforscher Dr. Sascha Arnautović
Wie schlecht es um die innere Verfasstheit der einstigen Vorbild-Demokratie USA in der zweiten Amtszeit Trumps bestellt ist, zeigt ein überaus skurriles Ereignis, das sich am 30. September 2025 in Quantico im US-Bundesstaat Virginia zutrug und gleichzeitig ein absolutes Novum in der US-Militärgeschichte darstellt: In Absprache mit Amerikas Präsident Donald J. Trump hat der frühere „Secretary of Defense“ (= Verteidigungsminister) und heutige „Secretary of War“ (= Kriegsminister) Pete Hegseth dafür gesorgt, dass zahlreiche Generäle und Admirale für viel Geld und mit großem logistischem Aufwand von ihren Auslandseinsätzen in die Vereinigten Staaten zurückgeholt worden sind – und das nur, um dem verantwortlichen US-amerikanischen Ressortminister bei seiner vermeintlich bedeutsamen und wegweisenden Rede in der Heimat zuzuhören. Dieser strebt an, einen neuen „Kriegerethos“ zu kultivieren – fern von jeder Art von „Wokeness“ und angeblichen Zwängen zu „Political Correctness“ im US-Militär.
Zusätzlich wurde von Hegseth und Trump, der ebenfalls anwesend war, darauf hingewiesen, dass sich die US-Streitkräfte mit Blick auf die Zukunft auf „Krieg“ einstellen müssten – womit nicht etwa ein Krieg außerhalb der USA gemeint war, sondern vielmehr ein „Krieg im Inneren“. Die Strategie dahinter dürfte klar sein: Sowohl der amtierende US-Präsident als auch sein Verteidigungsminister gehen dazu über, weiter die Grenzen des Machbaren auszutesten, was konkret bedeutet, durch Drohgebärden und Einschüchterungsversuche eine Stimmung der Angst zu erzeugen. Letztlich geht es darum, zu testen, wie weit die Regierung Trump in dessen zweiter Präsidentschaft gehen kann und bis zu welchem Punkt Loyalität in der „U.S. Army“ und „U.S. Navy“ reicht.
So trifft es nun eben das US-Militär, dem eine neue Denkweise aufoktroyiert werden soll: Akzeptanz eines Umbaus nach Präsident Trumps Vorstellungen in Verbindung mit einer neuen fortschrittsfeindlichen Kultur – ohne den wünschenswerten Raum für Toleranz und Vielfalt – sowie mit der bewussten Ausgrenzung von Frauen im Kampfeinsatz. Gleichzeitig soll ein „Krieg von innen“ in Großstädten der USA geführt werden, die im Weißen Haus in Ungnade gefallen sind, weil deren Führungspersonal, welches interessanterweise der Demokratischen Partei zuzuordnen ist, es gewagt hat, sich Trumps erklärtem Willen zu widersetzen.
Das dabei verwendete trumpsche Narrativ lautet wie folgt: Radikale linke Demokraten hätten US-Städte wie San Francisco, Los Angeles, Chicago und New York zu gemeingefährlichen Orten gemacht, weswegen seine Regierung auch nicht den Einsatz von US-Militär im Inland scheue. Spätestens jetzt dürfte deutlich geworden sein, dass die Demokratie in den USA den Kipppunkt erreicht hat.
Einmal mehr zeigt dieses Agieren der Trump-II-Regierung deren Entschlossenheit und Entschiedenheit, einen umfassenden Staatsumbau in die Wege zu leiten und die Aushöhlung der US-Demokratie schrittweise herbeizuführen. Dahinter steht die bewusste Loslösung von neuen gesellschaftlichen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, die sich von dem moralischen Kompass der sogenannten MAGA-Bewegung (im Sinne von „Make America Great Again“) und anderer erzkonservativer Strömungen grundlegend unterscheiden. Die besagte Bewegung will ihren innerstaatlichen „Kulturkampf“ in den nächsten Jahren entscheidend voranbringen.
Dem kritischen Beobachter dürfte nicht entgangen sein, wie selbstbewusst US-Präsident Trump dabei vorgeht und welcher fadenscheinigen Argumente er sich bedient, bloß um das Militär für seine Zwecke zu instrumentalisieren. So rechtfertigt er die auf sein Geheiß eingeleiteten Maßnahmen mit den gewaltsamen Protesten auf Amerikas Straßen, die insgesamt doch recht überschaubar geblieben sind, und mit der vermeintlich steigenden Kriminalitätsrate. Wie nicht anders zu erwarten, sind davon interessanterweise demokratisch regierte US-Bundesstaaten unter Einschluss der US-Hauptstadt Washington betroffen.
Gerade in dieser schwierigen Situation zeigt sich die beklagenswerte Schwäche der Demokratischen Partei gegenüber der Republikanischen Partei. Die Demokraten scheinen ihre Schockstarre seit der verlorenen US-Wahl 2024 immer noch nicht überwunden zu haben. Denn eigentlich wäre es in dieser kritischen Phase angezeigt, dass sowohl die Parteiführung als auch die Mitglieder der Demokratischen Partei endlich aktiv werden, um den von Donald Trump bewusst konstruierten „Feind im Inneren“ zu enttarnen und als dasjenige zu entlarven, was eigentlich dahintersteckt – nämlich die bisherige Demokratie in den USA durch eine Autokratie zu ersetzen, in der Trump dann schalten und walten kann, wie es ihm beliebt.
Angesichts dieses schwerwiegenden Befundes wäre es umso wichtiger, dass die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz ihre Verantwortung wahrnimmt und ihre bestehenden Kontakte in den USA zum demokratischen Lager ganz bewusst dafür nutzt, um von außen das Notwendige zu veranlassen, damit die wahren Feinde der amerikanischen Demokratie nicht offen, sondern eher verdeckt bekämpft werden können. Diese Maßnahme ist alternativlos, will man nicht ernsthaft riskieren, dass die Vereinigten Staaten in die von Trump geforderte Richtung marschieren, die am Ende eines solchen Prozesses ein finsteres und rückwärtsgewandtes Zeitalter zutage fördern würde.
Dafür steht mittlerweile zu viel auf dem Spiel für die Zukunft der Demokratie, die längst kein Selbstläufer mehr ist. Fest steht: Unter Donald Trump und seinen ideologisch und demokratisch zweifelhaften Gefolgsleuten in seiner aktuellen Regierung ist kein „Goldenes Zeitalter“, wie von ihm selbst im Januar 2025 bei seiner Amtsantrittsrede in Aussicht gestellt worden ist, zu erwarten, sondern im Gegenteil eher eine düstere Zukunft bzw. eine Dystopie.
Kurzum: Es steht viel auf dem Spiel für die westliche Welt, weswegen uns die Zukunft Amerikas nicht gleichgültig sein kann. Es geht schließlich um das große Ganze, was wir überzeugte Demokraten im Westen im Auge behalten sollten und was es unbedingt, koste es, was es wolle, zu verteidigen gilt.
Dr. phil. Sascha Arnautović ist Politikwissenschaftler mit den fachlichen Schwerpunkten sozialwissenschaftliche USA-Forschung sowie Außen- und Sicherheitspolitik. Außerdem ist er selbstständiger Unternehmer, freier Referent und externer Lehrbeauftragter an der Universität der Bundeswehr München. Seit März 2006 leitet er in seiner Funktion als Vorsitzender und Geschäftsführer das Kölner Forum für Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik (kurz: KFIBS) – ein eingetragener und gemeinnütziger Verein mit Sitz in Brühl (Rheinland), der Nachwuchskräfte der Geistes- und Sozialwissenschaften unterstützt und fördert. Darüber hinaus leitet er – ebenfalls ehrenamtlich – seit August 2020 die Sektion Köln/Rhein-Erft-Kreis/Euskirchen der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e. V. (GSP), die dem Landesbereich III/NRW zugeordnet ist.
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