Das Märchen vom Friedensstifter Trump und die russische Herbstoffensive als Beweis für den fehlenden Friedenswillen Moskaus

Ein Kommentar von Politikwissenschaftler Dr. Sascha Arnautović

Diejenigen, die gehofft haben, dass es US-Präsident Donald J. Trump gelingt, als Einflüsterer von Russlands Präsident Wladimir Putin wegen seines scheinbar guten Drahtes zu ihm zu fungieren, sollten angesichts der jüngsten militärischen Planungen der russischen Seite (Stichwort „Herbstoffensive“) endlich begreifen, dass es keinen ernsthaften Willen zum Frieden im Kreml gibt. Zumal sich angesichts der günstigen Ausgangslage für die russischen Streitkräfte an der Front in der Ukraine die Frage stellt, warum Putin überhaupt mit Washington und über Bande gespielt mit Kiew verhandeln sollte. Insofern verwundert es den Autor und Kommentator schon ein wenig, dass immer noch eine solche Hoffnung besteht. Sie ist mehr Wunschdenken als Realität. Trump hat versucht, sich als Friedensstifter zu inszenieren, um in die Geschichte einzugehen. Doch die Vorstellung, die er bislang geboten hat, reicht bei Weitem nicht aus, um erfolgreiche Verhandlungen in der Ukraine-Frage führen zu können. Und Putin? Er ist der eigentliche Sieger des Ganzen. Der russische Präsident ist zurück auf der Weltbühne, was schon länger sein Ziel gewesen ist. Und Trump hat ihm, ob nun willentlich oder unwillentlich, dabei geholfen und damit der Ukraine und Europa einen Bärendienst erwiesen. Denn eine substanzielle Veränderung der Situation ist nicht erkennbar. Wenn überhaupt, wäre unter den aktuellen Bedingungen nur ein „Diktatfrieden“ möglich. Ein solcher ist jedoch inakzeptabel für Kiew, Brüssel und Berlin.

Zurück zu den Fakten, die nicht aus dem Blick geraten sollten: Die Russische Föderation unter Präsident Putin betreibt eine klassische Großmachtpolitik, die das klare Ziel verfolgt, sich ehemalige sowjetische Territorien einzuverleiben und damit klare Zeichen gegenüber dem sogenannten Westen zu setzen. Moskau hält an der Konfrontation mit diesem und zusätzlich auch mit der NATO fest. Deswegen werden alle sich bietenden Möglichkeiten ausgeschöpft, um der westlichen Welt, wo immer es möglich ist, zu schaden. Es ist daher illusorisch zu glauben, dass es auf diplomatischem Wege gelingen kann, ein Ende des Ukraine-Krieges – zu fairen Konditionen für beide Kriegsparteien – herbeizuführen. In dieser Hinsicht überschätzen westliche Politikerinnen und Politiker ihre Einflussmöglichkeiten auf Moskau. Tatsache ist: Der Kreml setzt weiterhin auf einen Konfrontationskurs und ist nicht einmal darum bemüht, dies zu verbergen. Stattdessen vertraut Moskau weiter auf verbündete Staaten wie Nordkorea, China und Iran, die ohnehin ein großes Interesse an einer Auseinandersetzung und einem Kräftemessen mit der westlichen Welt haben. Schließlich stehen sich autoritäre Regime und westliche Demokratien gegenüber, die völlig konträre und somit unvereinbare Vorstellungen von der künftigen Weltordnung haben.

„EU-Europa“ und Deutschland täten also gut daran, sich unabhängiger von „Trumps Amerika“ zu machen, damit unterdessen die Zeit darin sinnvoll investiert wird, Europa verteidigungsfähig und seine Gesellschaften resilienter gegenüber der realen Bedrohung durch autoritäre Staaten wie die Russische Föderation zu machen. Darauf sollte die volle Konzentration gerichtet sein und nicht etwa auf der vagen Hoffnung auf einen – in einer idealen Welt – gerechten Frieden. Es geht inzwischen nicht nur um die Ukraine und Europa, sondern es geht auch um eine weitaus größere Dimension, nämlich um die neue Weltordnung. Und in dieser muss EU-Europa erst noch seinen Platz finden. Hinzu kommt: Damit der europäische Kontinent auf Russlands imperiale Bestrebungen angemessen und vor allem entschieden reagieren kann, selbst bei günstigen Ausgangsbedingungen und bei einem echten politischen Willen und nicht nur bei einem erklärten, ist realistischerweise von einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren auszugehen.

Wir befinden uns heute in Europa und der Welt in einer Umbruchphase, deren Ausgang noch völlig offen ist. Vieles spricht dafür, dass es immer stärker zu einer Auseinandersetzung zwischen autoritären und demokratischen Staaten kommen wird. Umso wichtiger ist in diesem Zusammenhang für die westliche Seite eine breite Allianz freier demokratischer Staaten – nicht nur innerhalb Europas, sondern auch in der gesamten westlichen Welt. Lediglich die Einheit des Westens könnte noch dazu führen, dass unsere Demokratien widerstandsfähig genug sind, um sich adäquat zu schützen und zu verteidigen. Insbesondere die europäischen Staaten stehen derzeit an einer Weggabelung, an der es darum geht, sich zu vergegenwärtigen, welche Zukunft die Demokratie in Europa haben soll. Wollen wir entschieden für unsere Normen und Werte einstehen und damit glaubwürdig sein, oder wollen wir das Feld kampflos autoritären Staatenlenkern überlassen? Diese grundlegenden Fragen gilt es, sich zu stellen und Antworten darauf zu geben. Kurzum: Die Lage ist ernst, sogar sehr ernst! Es geht schließlich um das große Ganze. Es braucht große Entschlossenheit und viel Mut, um uns einen Platz in der neuen Weltordnung des 21. Jahrhunderts zu sichern, so wir dabei ein gewichtiges Wort mitreden wollen.

Dr. Sascha Arnautović ist Politikwissenschaftler, selbstständiger Unternehmer, freier Referent und externer Lehrbeauftragter an der Universität der Bundeswehr München. Sein fachlicher Schwerpunkt liegt in der sozialwissenschaftlichen USA-Forschung. Seit März 2006 leitet er in seiner Funktion als Vorsitzender und Geschäftsführer das Kölner Forum für Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik (kurz: KFIBS) – ein eingetragener und gemeinnütziger Verein mit Sitz in Brühl (Rheinland), der Nachwuchskräfte der Geistes- und Sozialwissenschaften unterstützt und fördert. Außerdem leitet er – ebenfalls ehrenamtlich – seit August 2020 die Sektion Köln/Rhein-Erft-Kreis/Euskirchen der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e. V. (GSP), die dem Landesbereich III/NRW zugeordnet ist.

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