Sechs Mal Ukraine

Bild: Hans Seidel Stiftung

Schwierige Wege aus dem Krieg zu einem gerechten oder prekären Frieden

Von unserem Autor Dr. Klaus Olshausen

Die vergangenen zwei Wochen brachten für die Ukraine täglich intensive Angriffe – sowohl an der Front als auch im gesamten Luftraum. Russland machte einmal mehr deutlich, dass die militärische und geopolitische Niederlage der Ukraine – und damit des freien Europas – weiterhin das erklärte Ziel bleibt. Außenminister Lawrow unterstrich dies mit der Aussage, dass es keinerlei Zugeständnisse bei den besetzten Gebieten geben werde. Präsident Putin bekräftigte erneut, dass die Gebiete Donezk, Saporischschja und Cherson vollständig von der Ukraine aufgegeben werden müssten. Er betonte zudem, dass auch Charkiw im Osten und Mykolajiw im Süden „historisch russisches Land“ seien.

Nach den Gesprächen in Paris zwischen US-Repräsentanten und der französischen Regierung unter Beteiligung Großbritanniens und Deutschlands erklärte Wassili Nebensja, Ständiger Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, dass Gespräche über einen Waffenstillstand in der Ukraine unrealistisch seien. Ein weiteres klares Signal, nachdem ein vierstündiges Gespräch des US-Sondergesandten Steve Witkoff mit Präsident Putin in St. Petersburg keinen Weg zu einem bedingungslosen Waffenstillstand eröffnen konnte – bestenfalls eine vermeintliche Gesprächsbereitschaft Russlands, um Zeit für weitere militärische Aktionen zu gewinnen.

Die vielfältigen Gespräche der „Koalition der Willigen“, der „Ukraine Defense Contact Group“ (UDCG), des EU–Ukraine Association Council, des EU-Außenministertreffens und die Pariser Gespräche am Gründonnerstag drehen sich zunehmend um das von Donald Trump formulierte Ziel, „den Krieg zu beenden“. Deshalb ist es wichtig, erneut klarzustellen, welche politischen Ziele Russland und die Ukraine verfolgen und wie diese geopolitisch und völkerrechtlich einzuordnen sind.

Russland verfolgt mit seinem Angriffskrieg und seiner revisionistischen Politik illegitime politisch-militärische Ziele, die in den besetzten Gebieten bereits genozidale Züge tragen. Die Ukraine hingegen verteidigt legitime, völkerrechtlich geschützte Ziele – dies gilt für alle zehn Punkte ihres bereits im November 2022 vorgestellten Friedensplans.

Bei allen Vorschlägen und Maßnahmen, „das Töten zu beenden“, muss geprüft werden, ob und inwieweit der Aggressor zur regelbasierten Ordnung zurückgedrängt wird – oder ob dem Verteidiger abverlangt wird, auf Teile seiner legitimen politischen Ziele zu verzichten. Ein bedingungsloser Waffenstillstand, zu dem die Ukraine auf Druck Trumps gezwungen wurde, gesteht dem Aggressor eigenständiges Handeln in den illegal annektierten Gebieten zu – das käme der faktischen Hinnahme illegitimer Eroberungen gleich.

Wenn es um mehr geht als bloße Unterstützungserklärungen bei Treffen westlicher Regierungen und ihrer Partner in verschiedenen Formaten, steht im Hintergrund stets die zentrale Frage: Welche Art von Frieden will oder glaubt man erreichen bzw. durchsetzen zu können?

Offizielle Dokumente halten weiterhin an der Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine in den Grenzen von 1991 fest – als Grundlage für die Wiederherstellung der regelbasierten Ordnung. Daraus folgert Timothy Snyder: „Frieden in Europa kann, ja wird gelingen, wenn die Integrität der Ukraine wiederhergestellt wird – ein Erfolg für die Selbstbestimmung und die Gleichheit aller Staaten.“ Maßnahmen in diese Richtung wurden von einer großen Mehrheit der Staaten in zwei Resolutionen der Vereinten Nationen im März 2022 und Februar 2023 unterstützt – ein Weg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden.

Doch Regierungen und Teile der Bevölkerung, die ihr Handeln und ihre Unterstützung nicht an diesen Grundsätzen ausrichten, sondern Risikovermeidung über das Erreichen legitimer Ziele für die Ukraine und ein freies Europa stellen – und gestellt haben –, hielten schon im Sommer 2022 die Wiederherstellung einer souveränen Ukraine für unrealistisch und forderten ein „Einfrieren des Konflikts“. Wer den russischen Imperialismus allein auf die Ukraine beschränkt sah, vertrat zudem vehement die Auffassung, man dürfe sich „den Zweck des Krieges nicht von der Ukraine vorschreiben lassen“.

Trump und seine Administration machen diese Haltung mit verzerrten und desinformativen Narrativen zur Grundlage ihrer Bemühungen um ein „Kriegsende“. Sie behaupten unter anderem, Selenskyj sei schuld am Krieg – und Trump sagte sogar: Man fange „keinen Krieg gegen jemanden an, der 20 Mal so groß ist wie man selbst, und hoffe dann, dass dir jemand ein paar Raketen gibt“. Solche Aussagen entlasten Putin nicht nur von seiner Aggression, sie fügen sich auch in ein Geschichtsbild, das Clausewitz mit den Worten kennzeichnet: „Der Eroberer ist immer friedlich“ – und der Angegriffene soll „erdulden“, was dieser verlangt.

All dies zeigt: Trump geht es nicht um einen gerechten, dauerhaften Frieden zwischen der Ukraine und Russland im Sinne eines sicheren Europas. Vielmehr will er den Aggressor belohnen, um bilateral neue ökonomische und politische Beziehungen zu Russland aufzubauen. Für die Ukraine bedeutete das Unterwerfung und Vasallentum – für Europa große Unsicherheit und keine Eindämmung eines imperial handelnden Russlands.

Vor diesem Hintergrund ist kaum erkennbar, ob NATO-Generalsekretär Mark Rutte mit seiner Unterstützung für Trumps „Push for Peace“ bei seinem Besuch in Washington, seinen Aussagen nach dem NATO-Außenministertreffen und seinem Besuch in Odessa tatsächlich glaubt, diese Gespräche könnten den Krieg zu einem gerechten und dauerhaften Frieden führen. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte schon vor Beginn der Gespräche Fakten geschaffen – mit der Forderung nach Gebietsabtretungen durch die Ukraine und einer generellen Absage an deren NATO-Mitgliedschaft.

Die Trump-Administration zwang die Ukraine zudem zu einem bedingungslosen Waffenstillstand und rang ihr einen Vertrag zur Nutzung von Bodenschätzen ab. Das alles ist keine Basis für einen gerechten und dauerhaften Frieden mit einem Aggressor, der jeden Waffenstillstand ablehnt und seine brutalen Angriffe unvermindert fortsetzt.

So endeten die ersten Gespräche der neuen Administration mit Frankreich, der Ukraine, Großbritannien und Deutschland am Gründonnerstag nach außen hin mit der knappen Feststellung, man werde sich gemeinsam für einen „soliden Frieden“ einsetzen – wobei offen bleibt, was jeder Einzelne unter „solide“ versteht.

Dr. Klaus Olshausen, ehemaliger Generalleutnant und sicherheitspolitischer Experte, nimmt beim Sicherheitsforum Deutschland regelmäßig Stellung zum Russland/Ukraine-Krieg. Seine Analysen betonen die sicherheitspolitischen und strategischen Implikationen der westlichen Unterstützung für die Ukraine und mahnen immer wieder zur Wachsamkeit gegenüber einem expansiv agierenden Russland. Seine Beiträge tragen wesentlich zur sicherheitspolitischen Debatte im deutschsprachigen Raum bei.