Trump ist wieder da! – Was muss Europa tun
Nun hat er es doch geschafft. Donald Trump wird wieder Präsident der USA. Die Aufholjagd der Kamala Harris war nicht erfolgreich. Sie hat aus dem Stand – ohne Vorbereitung – im Sommer eine Aufgabe übernommen, die sich als nicht erfüllbar erwiesen hat. Sie musste die Story ihres Weges aus dem Boden stampfen. Dennoch wird ihr diese Niederlage zugerechnet. Es ist aber die Niederlange Joe Bidens.
Diese Wahl ist aber auch Ausdruck der Unzufriedenheit der US-Bevölkerung mit den Verhältnissen dort. Diese Unzufriedenheit ist nichts Neues. Vor acht Jahren hat Trump diese schon einmal ins Amt gebracht. Diese Unzufriedenheit hat von vier Jahren Biden den Wahlsieg gebracht. Und nun ist er als Amtsinhaber wieder Opfer der Unzufriedenheit geworden.
Dieser Hang der Bevölkerung zur Unzufriedenheit ist kein US-amerikanisches Spezifikum. Manch eine Wahl in anderen Ländern gehorchte dieser Ratio. Italien steht dafür, Polen, die Niederlande – die Liste lässt sich fortsetzen. Die deutsche Bundesregierung sieht sich diesem Phänomen auch gegenüber. Sie muss dies wahrnehmen. Ihr gelingt dies nicht. Also zieht sie auch nicht die richtigen Konsequenzen und riskiert ein Anwachsen fundamentaloppositioneller Gruppen.
Sicherheitspolitisch trifft diese Wahl die Europäer ins Mark. Zwar hätte auch eine Präsidentin Harris den Europäern eine Liste mit neuen Forderungen übergeben. Aber das Abarbeiten der Liste wäre in einem kooperativen Klima erfolgt. Nun steht zu befürchten, dass es nach dem Prinzip Befehl und Gehorsam geschieht.
Für Trump sind die Werte, die die NATO- und EU-Staaten verbinden, nicht prägend für seine Politik. Es besteht die Gefahr, dass er die USA wie ein Unternehmen ohne Beteiligungsgremien führt. Nur der eigene Gewinn gilt, und der muss möglichst schnell erreicht werden.
Denn Trump hat wenig Zeit. Jetzt gibt es republikanische Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat. Aber er ist – wenn ihm nicht ein Trick einfällt, mit der er eine erneute Wahl erreichen kann – nicht wiederzuwählen, hat also in vier Jahren keinen Einfluss mehr auf das Geschehen. Und in zwei Jahren wird das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Das kann zu neuen Mehrheiten führen. Danach kann er „lame duck“ sein. Also muss er schnell Erfolge haben.
Er hat diese Wahl vor allem mit innen- und wirtschaftspolitischen Themen gewonnen. Migration und Inflation sind die Schlagworte gewesen, die in den USA wichtig waren. Vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet kann er durch Maßnahmen wie Einfuhrzölle Entscheidungen treffen, die uns stark betreffen. Da wird sich Europa neu positionieren müssen.
Außenpolitisch spielt in den USA die Lage im Nahen Osten eine deutlich wichtigere Rolle als die Ukraine, die im europäischen Fokus liegt. Gerade die muslimischen Einwanderer haben wohl wegen der Unterstützung Israels im gegenwärtigen Krieg dort durch die Biden-Administration bei dieser Wahl Trump ihre Stimme gegeben. Insofern wird er sich mit Vorrang auch diesem Konflikt zuwenden. Wenn er seinen Anspruch aufrechterhalten will, dass er ein Friedensbringer ist, muss er aus innenpolitischen Gründen hier handeln. Und das wird nicht einfach, weil neben den propalästinensischen Wähler in den USA auch eine starke jüdische Gruppe lebt, die Trump und seinen theologischen Wurzeln auch nahe steht.
Die Ukraine-Frage ist für ihn innenpolitisch weniger bedeutend. Sie stößt nicht auf ein durch Wähler hinterlegtes Interesse. Er kann da die Biden-Politik noch etwas weiter laufen lassen. Es gibt Informationen, dass er die Themen, die Europa betreffen, in einem Gipfel mit dem russischen Machthaber Putin besprechen will. Hier muss EU-Europa aufpassen.
Trump hat sich bereits in seiner ersten Amtszeit – damals nach und nicht vor einem NATO-Gipfel – mit Putin in Helsinki getroffen. Bei einem neuerlichen Treffen jetzt werden die EU-Europäer nicht nur nicht beteiligt sein, sondern auch nicht intensiv informiert werden. Die Planung dieses Treffen macht schon deutlich, dass Trump die Probleme ohne Rücksicht auf europäische Interessen lösen will.
Er hat gesagt, er könne die Ukraine-Krise binnen eines Tages lösen, eben durch ein solches Gespräch der internationalen Alpha-Tiere. Das aber muss man nicht zum Nennwert nehmen. Vor dem Wahltag hat das US-Parlament noch umfangreiche Hilfen genehmigt, die jetzt erst einmal abfließen können. Es kann jedoch auch sein, dass er die Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine auch sofort einfriert oder einschränkt. Ob jetzt oder später: Der Ausstieg der USA aus der Ukraine-Hilfe wird zwei Folgen haben: Zum ersten werden die Kräfteverhältnisse im ukrainischen Feld zugunsten Russlands so dramatisch verändert, dass die Ukraine dem Angriff nicht mehr standhalten kann. Es gibt für die europäischen NATO-Staaten keine Chance, dies auszugleichen. Sie haben nicht das Geld. Und die europäische Rüstungsindustrie ist nicht in der Lage, entsprechend zu produzieren.
Das führt dann zu Frage, wie ernst Trump die Beistandsgarantien nimmt, die die USA bisher gegeben haben. Eine solche Garantie haben die USA – damals gemeinsam mit Russland – auch der Ukraine gegeben, nachdem diese ihre Atomwaffen abgegeben hat. Sollte die zweite Garantiemacht ihr Versprechen brechen, hat auch dies politische Auswirkungen.
Aber das wirft dann auch die Frage auf, wie intensiv die USA in der NATO mitmachen. Die Stärke der NATO und ihrer Kraft, einen Angriff auf das eigene Territorium abzuschrecken, ist ohne engagierte USA allenfalls die Hälfte wert. Das kann dann Auswirkungen haben auf Überlegungen in Moskau, ob nicht weitere Staaten dem russischen Reich angeschlossen werden könnten.
Was also muss die NATO, muss die EU jetzt tun? Zweierlei: Vor allem die NATO-Staaten, auch Deutschland, müssen endlich beginnen, strategisch zu denken. Deutsche Sicherheitspolitik findet gedanklich in Vier-Jahres-Rhythmen statt. Die statische Auffassung von sicherheitspolitischen Entwicklungen und den daraus zu ziehenden Konsequenzen gehört zur DNA deutscher Politik. Auch andere europäische Staaten haben sich dieser Haltung angeschlossen. Diese Politik war zu Zeiten des Kalten Krieges vertretbar und zielführend. Danach kam die Zeit der Friedensdividende, in der keine strategischen Entscheidungen nötig waren. Aber spätestens seit 2014, seit der russischen Annexion der Krim, ist klar, dass wir umsteuern müssen. In Sonntagsreden wurde das auch immer wieder eingefordert. Aber getan hat man nichts. Selbst die „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz war – strategisch gesehen – ein Herumdoktern an Symptomen – was dann auch nur schleppend umgesetzt wurde. Hier muss in Europa gehandelt werden. Wenn das in NATO und EU nicht möglich ist, weil der politische Wille fehlt, muss das in anderen – neuen – Formaten geschehen. Aber man muss jetzt beginnen.
Der zweite Punkt ist eine Antwort auf die Frage, wie man konkret operativ handeln kann. Sinnvoll wäre es, wenn die Staaten der NATO und der EU den neuen US-Präsidenten Trump möglichst schnell nach dem Amtsantritt am 20. Januar 2025 zu Gipfelkonferenzen nach Brüssel einladen, um auszuloten, was die neue US-Administration plant, und um deutlich zu machen, was die Europäer wollen. Dabei wäre gut, sie sprächen mit einer Sprache.
Jedenfalls muss die Zeit des „es wird schon werden“ vorbei sein. Es muss gehandelt werden.