Europa: „Frieden“ in Gaza – Kampf um Taiwan – Putins Klauen der Macht

Ein Kommentar unseres Autors Dr. Klaus Olshausen

Zusammenfassung
Die Welt ist durch drei ernste Kriege, Konflikte und Krisen geprägt. Alle drei sind Ausdruck einer abnehmenden Anerkennung der völkerrechtlichen Regeln der Vereinten Nationen im Handeln großer Staaten. Der Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas, aber auch gegen die Hisbollah, der Kampf Chinas nicht nur um Taiwan, sondern um den Zugang zum offenen Pazifik, und natürlich der brutal von Russland ausgefochtene Angriffskrieg gegen die Ukraine und implizit gegen den kollektiven Westen.
Eine stichpunktartige Einschätzung der Wirkung auf Europa und daraus folgendes Handeln erlaubt folgenden Ausblick:

  • Der Gaza-Krieg und der Nahe Osten sind so wichtig, dass eine direkte Beteiligung Europas in mehrfacher Weise erforderlich ist, und

  • gegenüber China kommt es darauf an, übergroße ökonomische Abhängigkeiten zu vermeiden, verstärkte Zusammenarbeit mit Anrainern zu suchen und die Kooperation mit Amerika zu stärken.
    Der Krieg in der Ukraine fordert zwingend unsere ganze Aufmerksamkeit und Kraft, um das freie Europa mit der Ukraine zu bewahren, wenn täglich zu sehen ist, wie Russland in den von ihm seit 2014 besetzten Gebieten Menschen russifiziert, drangsaliert und deportiert. Das unterstreicht, dass hier der Kampf um und für das freie Europa stattfindet und für alle Europäer besser dort entschieden wird.

Analyse
In den Tagen um die diesjährige Berliner Sicherheitskonferenz, den 24. Kongress für Europäische Sicherheit und Verteidigung des Behörden Spiegel, Deutschlands führender unabhängiger Zeitung für den öffentlichen Dienst und das Militär, ist die Welt neben allen wirtschaftspolitischen und geoökonomischen Auseinandersetzungen, insbesondere durch die Zollpolitik von Präsident Trump, durch drei ernste Kriege, Konflikte und Krisen geprägt. Alle drei sind Ausdruck einer abnehmenden Anerkennung der völkerrechtlichen Regeln der Vereinten Nationen im Handeln großer Staaten. Der Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas, aber auch die Hisbollah, der Kampf Chinas nicht nur um Taiwan, sondern um den Zugang zum offenen Pazifik, und natürlich der brutal von Russland ausgefochtene Angriffskrieg gegen die Ukraine und implizit gegen den kollektiven Westen.
Alle drei haben für das freie Europa geopolitische Bedeutung, aber in unterschiedlicher Weise und Intensität. Die kriegerische Auseinandersetzung im Nahen und Mittleren Osten hat vor allem mit der Sicherung des Existenzrechts Israels und dem Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser Wirkungen auf Europa. Krieg, Krise und Unruhe in dieser Region haben aber auch drastische geoökonomische Auswirkungen. Hinweise auf Suez-Kanal und Rotes Meer, aber auch den Persischen Golf mögen hier genügen.
Die offensive, potenziell aggressive Politik Chinas absorbiert in der westlichen Wahrnehmung vor allem das drohende, militärisch einschüchternde Agieren gegenüber Taiwan. Jedes Ausgreifen über die Straße von Taiwan, das gesamte Südchinesische Meer und die Senkaku-Inseln vor Japan kann die freie Schifffahrt zerstören. Auch dies hat entscheidende geoökonomische Wirkungen für Europa. Noch wichtiger ist aber die krisenhafte Zuspitzung der Auseinandersetzung Chinas mit der aus seiner Sicht abnehmenden großen Macht Amerikas.
Putin führt seinen Krieg mit allen brutalen Angriffen und Forderungen der Unterwerfung an die Ukraine, aber gleichermaßen wahlweise mit Sirenenklängen oder nuklearen Drohungen und hybriden Angriffen gegen die europäischen Staaten. Damit steht nicht nur für die Ukraine der Verlust ihrer souveränen, personalen Existenz auf dem Spiel. Diese Lage im zweitgrößten Land Europas und die immer wieder erklärten weiteren imperialen Ansprüche Putins stellen die Länder Europas vor Bedrohungen, die sie reduzieren, besser ausschalten müssen, bevor sie ihnen über den Hals kommen.

Europa und der Gaza-Friedenspakt
Der seit 10. Oktober verabredete, aber sehr fragile Waffenstillstand im Krieg im und um den Gaza-Streifen ist neben der Freilassung der Geiseln und der Übergabe der Leichname toter Geiseln eine der zwei Startmaßnahmen für den sogenannten Friedensplan, den Donald Trump mit großer Kulisse in Scharm El Scheich unterzeichnet hat. Die Fortschritte beim Aufbau der Stabilisierungskräfte, vor allem arabischer Staaten, lassen auf sich warten, und seit der Inszenierung der Deklaration des 20 Punkte Friedensplans hat sich Trump selbst nicht mehr sichtbar eingeschaltet.
Das freie Europa hat allen Grund, sich deutlich über die humanitäre Hilfe hinaus bei einzelnen Elementen des Friedensplans einzubringen. Nach der Bestätigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gilt dies neben dem Wiederaufbau insbesondere für die Übergangsregierung, die Stabilisierungskräfte und damit die Entwaffnung der Hamas. Auch beim vorgesehenen Peace Board könnte die EU eine Aufgabe übernehmen.

Europa und das autoritäre China
Bei Russlands Kriegspolitik und Chinas Handeln zur Weltmacht ist es für Europa schädlich, wenn zwischen Nordeuropa und Amerika Streitigkeiten und Störungen zunehmen, ja prominent werden. Das kann erstens dazu führen, dass Europäer bei schwierigen Themen bereit sind, China entgegenzukommen und Risiken, die aus der Systemrivalität folgen, zu beschwichtigen. Um gerade im Indo Pazifik für Stabilität zu wirken, kommt es nicht nur darauf an, mit vielen Staaten enge politische und wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen, sondern auch an der Seite Amerikas zu stehen, wenn es gilt, einem bewaffneten Ausbruch in den offenen Pazifik zu widerstehen.
Auch wenn materielle direkte militärische Unterstützung begrenzt bliebe, ist diese für die Legitimität des Handelns von Bedeutung. Der Versuch, jeden eigenen wirtschaftlichen Vorteil mit China vorzuziehen, kann sich bitter rächen, wenn China der Ausbruch gelingt.

Russlands erneuter Imperialismus
Vier Jahre brutaler Krieg in der Ukraine haben zwar zu nicht unerheblicher Unterstützung der Ukraine in vielen Bereichen geführt. Aber trotz der inflationären Aussage, der tapfere Abwehrkampf der Ukrainer sei eine wichtige Verteidigungslinie für das freie Europa, haben die Länder Europas ihre wirtschaftliche Struktur weder auf massive militärische Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte noch auf die rasche Wiederherstellung der eigenen Abwehrfähigkeit umgestellt, um damit so zügig wie möglich das Ziel zu erreichen, Russlands Angriff zurückzuweisen.
Diese Aufgabe an die westlichen Staaten hatte der frühere Bundeskanzler Scholz wiederholt gefordert. Aber Deutschland wie alle anderen Staaten in EU und NATO, ja selbst darüber hinaus, haben ihr Maß der Mittel nie klar daran ausgerichtet. Stattdessen reden jetzt viele mit großer Emotion davon, das Töten müsse aufhören. Das bedeutet aber das Gegenteil der eigentlichen Aufgabe und stattdessen den imperialen Fortschritt des Aggressors.

Ausblick
Mit Blick auf Krieg, Konflikt und Krise kann unterschieden werden, dass

  • der Gaza-Krieg und der Nahe Osten so wichtig sind, dass eine direkte Beteiligung Europas in mehrfacher Weise erforderlich ist,

  • gegenüber China übergroße ökonomische Abhängigkeiten zu vermeiden, verstärkte Zusammenarbeit mit Anrainern zu suchen und die Kooperation mit Amerika zu stärken ist,

  • der Krieg in der Ukraine zwingend unsere ganze Aufmerksamkeit und Kraft fordert, um das freie Europa mit der Ukraine zu bewahren. Das kann jeder daran ablesen, wie Russland in den von ihm seit 2014 besetzten Gebieten Menschen russifiziert, drangsaliert und deportiert. Das macht offensichtlich, dass hier der Kampf um und für das freie Europa stattfindet und für alle Europäer besser dort entschieden wird.

Über den Autor: Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen war von 2006 bis 2013 Präsident der Clausewitz-Gesellschaft. Zuvor war er Deutscher Militärischer Vertreter im Militärausschuss der NATO, bei der WEU und EU, HQ NATO, Brüssel. Dr. Olshausen gehört dem Fachbeirat des Sicherheitsforum Deutschland und ist Mitbegründer dieser Initiative. 

 

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