Ein Kommentar von unserem Chefredakteur Rolf Clement
Er schafft es immer wieder: US-Präsident Donald Trump gibt einen Friedensplan für die Ukraine bekannt und die Welt hält den Atem an. Das jüngste Produkt unterscheidet sich nicht wesentlich von dem vorherigen. Das Ultimatum, das er damit verbunden hat, hat er einen Tag später schon relativiert. Natürlich könne man darüber noch verhandeln. Wie ist also vor diesem Hintergrund die Drohung zu verstehen, dass die USA keine Geheimdienstinformationen und Waffen liefern? Das bleibt vage, so als interessierten diese Details den Präsidenten allenfalls am Rande. Und am Wochenende haben wir noch erfahren, dass dieser Plan an ihn herangetragen worden sei, von wem auch immer. Manch einer hat da eine Idee, von wem.
Die Aufgeregtheit, mit der vor allem viele europäische Staaten darauf reagieren, unterstreicht, dass diese sich fühlen, als treibe Trump sie vor sich her. Dieser Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen. Die Reaktionen der Europäer wirken hilflos und unkoordiniert.
Dabei ist zunächst einmal festzuhalten, dass es Reaktionen oder gar Initiativen der Institutionen in Europa gar nicht gibt. Die EU, die eigentlich ein politisches Mandat hat, bekommt keine gemeinsame Stellungnahme auf die Beine. Zahlreiche Staaten – Ungarn, Tschechien, die Slowakei, die Niederlande zum Beispiel – sind nicht bereit, klar für die Ukraine Partei zu ergreifen. Dieser Umstand ist nicht neu. Deshalb gibt es eine Allianz der Willigen, zu der dann auch das Nicht-EU-Land Großbritannien stoßen kann. Dieser Club muss aber schnell beginnen, mit einer Stimme zu sprechen, vielleicht sich auch eine schlanke Struktur geben. Er müsste einen festlegen, der für diesen Club spricht, vielleicht im halbjährigen Wechsel. Und er müsste einen Beauftragten für den Ukraine-Krieg benennen, wie dies auch die USA getan haben. Dieser müsste dann mit europäischen Vorschlägen durch die Welt reisen.
Dass verantwortliche Politiker an solche Gedanken nicht denken wollen, liegt auf der Hand: Dann würde zementiert, dass die EU zu solchen Aktionen nicht taugt – mit Folgen für die europäische Sicherheitspolitik und Auswirkungen auf gemeinsame Rüstungsprozesse. Überzeugend ist das aber nicht. Es muss eine klare europäische Stimme, keine EU-Stimme, geben.
Auch die NATO kann hier nicht helfen. Ihr Auftrag ist ein anderer: Sie muss die territoriale Integrität des NATO-Gebiets sicherstellen. Das ist schon eine große Aufgabe. Zudem würden hier die gleichen Staaten aufeinandertreffen wie in der EU – dazu noch die USA, von denen keiner so richtig weiß, was sie wollen, und Staaten wie die Türkei, deren Rolle auch nicht klar ist.
Die sich bildende Gruppe der Ukraine-Unterstützer sollte von sich aus aktiv werden. Warum setzt sie sich nicht mit dem ukrainischen Präsidenten zusammen und macht einen konkreten Friedensvorschlag, der sich nicht im Russland zieh dich zurück erschöpfen darf? Wenn Putin, wie er jetzt wieder betont, gesprächsbereit ist, dann sollte diese Gruppe doch einen Vorschlag vorlegen, über den dann gesprochen werden muss. Es ist zu befürchten, dass Putins Gesprächsbereitschaft schnell endet, wenn ein solcher Vorschlag auf dem Tisch liegt. Denn wir werden auch jetzt wieder erleben, dass die Versendung von Papieren wieder endet, wenn klar wird, dass Putins Maximalforderungen nicht durchsetzbar sind.
Aber ein solches Vorgehen hätte einen publizistischen Vorteil: Das Argument, der Westen bringe keine diplomatischen Initiativen auf den Weg, könnte so nicht mehr gelten. Diese Behauptung wird ja vor allem im Westen aufgestellt. Das Ringen um Frieden bedarf der militärischen Härte, ja, aber auch der diplomatischen Geschmeidigkeit. Die Europäer, wie immer sie sich formieren, haben Nachholbedarf im zweiten Bereich, vor allem gegenüber der eigenen Öffentlichkeit. Es ist richtig: Wahrscheinlich wird dies materiell nichts verändern, aber politisch.
Denn auch Donald Trump, der auf diesem Klavier spielt, wird Europa immer wieder vorhalten, es leiste zu wenig. Abgesehen davon, dass Europa militärisch einiges leistet und viele europäische Länder ihre Armeen kriegstauglich machen, würde Europa dann deutlich machen, dass es auch auf dem diplomatischen Parkett Verantwortung übernehmen würde, wenn es denn dafür eine Chance gäbe. Das schafft ein wenig Augenhöhe und verhindert, dass Europa immer nur getrieben wird. Es könnte so zu einer Wahrnehmung Europas führen.
Rolf Clement ist einer der profiliertesten sicherheitspolitischen Journalisten Deutschlands. Clement war viele Jahre Sonderkorrespondent für Sicherheitspolitik und Mitglied der Chefredaktion des Deutschlandfunks. Seit 2017 arbeitet er als freier Journalist, unter anderem für den TV-Sender Phoenix sowie die Fachzeitschrift Europäische Sicherheit & Technik. Darüber hinaus lehrte er an der Hochschule des Bundes in Brühl bei Köln. Vor kurzem ist er zum 2. Vorsitzender des Sicherheitsforum Deutschland gewählt worden.


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