Von Dr. Klaus Olshausen
In Alaska hat der Aggressor Putin vom US-Präsidenten Trump womöglich Zustimmung zu einigen seiner „root causes“ erhalten. Dass Trump seine Waffenstillstandsforderung aufgegeben hat und der Krieg bei Verhandlungen weitergehen wird, ist ein erhebliches, risikoreiches Zugeständnis. Das mag ein Zeichen sein, dass Trump für ein Ende des Krieges weiteren Druck auf Selenskyj ausüben will. Eine Unterwerfung der Ukraine, das aktive Ziel Putins, kann so unterstützt werden, weil Trump den Krieg „loswerden“ will. Wenn die Europäer am Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens festhalten, müssen sie die Verteidigung der Ukraine massiver und schneller unterstützen, damit die Frontlinie eher zu ihren Gunsten verändert werden kann. Die erörterten Sicherheitsgarantien müssen – wenn ein schneller NATO-Beitritt nicht möglich ist – überzeugend sein. Sie haben den Nachteil, dass sie erst nach dem Abschluss einer Vereinbarung gelten sollen. Dann aber müssen sie mindestens die volle Mitwirkung bei kollektiver und individueller Selbstverteidigung gem. Artikel 51 der VN-Charta bei jeder neuen gewaltsamen Aktion zusagen.
Es kommt in diesem Angriffskrieg Russlands nicht darauf an, der Ukraine (um des lieben Friedens willen) etwas aufzuzwingen, sondern den Aggressor zurückzuweisen. Wenn Europa das in der Ukraine noch nicht einsieht, wird es dieser Notwendigkeit später unter noch schwierigeren Umständen und weit höherem Aufwand und Kosten begegnen müssen.
Analyse
Letzte Woche habe ich „Jalta 2.0“ noch mit einem Fragezeichen versehen. Keine 24 Stunden nach dem Treffen von Präsident Trump mit Präsident Putin, das den Russen mit allen Elementen eines Staatsbesuchs hofierte, besteht die Sorge, dass aus dem Fragezeichen ein Ausrufezeichen wird. Die einzige inhaltliche Aussage bestand darin, dass Trump seine Forderung nach einem Waffenstillstand hat fallen lassen und Putins Forderung übernimmt, dass Verhandlungen bei Fortsetzung der massiven Waffengewalt Russlands gegen die Ukraine verlangt werden. Trump hat damit gezeigt, dass er diesen Krieg Putins der Ukraine und ggf. den Europäern überlässt. Das deckt sich mit den Aussagen seines Vizepräsidenten, der keinerlei eigene Unterstützung mehr für die Ukraine leisten will, es sei denn, die Europäer bezahlen dafür.
In den Aussagen Putins sind zweierlei Hinweise bzw. Forderungen augenöffnend. Einmal sagt er, es gelte, die Ukraine wieder sicher zu machen und so dem Frieden näher zu kommen. Und dann fügt er hinzu, dass die Europäer diesen (seinen) Weg nicht hintertreiben sollten. Und Trumps Beitrag dazu besteht darin, Präsident Selenskyj zu sagen: „You have got to make a deal“. Das kann ja nur heißen, dem zuzustimmen, was er von Putin gehört hat. Unklar ist, welches der „große Punkt“ ist, der laut Trump noch nicht vereinbart wurde. Putin besteht auch weiter darauf, dass die „root causes“ beseitigt werden, ja sein müssen, bevor die „spezielle Operation“ beendet werden kann.
Reaktionen in den europäischen Hauptstädten bedauern zwar, dass Trump die Forderung des Waffenstillstands vor Beginn von Friedensverhandlungen nicht aufrechterhalten hat, aber der Glaube besteht fort, dass Trump gewonnen werden kann, gegen einen Putin, den er als Freund betrachtet und mit dem er bilaterale Verhältnisse ausbauen will, „einen gerechten und dauerhaften Frieden“ durchzusetzen.
Es ist nicht bekannt, über wie viele Punkte in den Gesprächen in Sachen Ukraine und Sicherheit eine Einigung erzielt worden ist. Es sei erinnert, dass Trump und sein Verteidigungsminister schon im März dem Aggressor erhebliche Gebietsabtretungen und Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft angeboten haben.
Offensichtlich wollen Trump und viele Menschen in der westlichen Welt immer noch nicht erkennen, dass Putin seinen Angriffskrieg jetzt weiterführen kann und wird, mit dem politischen Zweck, „den Gegner niederzuwerfen, ihn wehrlos zu machen und politisch zu vernichten“ (Clausewitz). Es ist eben kein Krieg, „wo man bloß an den Grenzen seines Reiches einige Eroberungen machen will, um sie zu behalten …“. Trump musste seine Forderung nach einem bedingungslosen Waffenstillstand fallen lassen, er hat die weitere Kriegführung Putins hingenommen und mag glauben, dass er einige von Putins „root causes“ gegenüber der schwächeren Ukraine am Montag durchsetzen kann, mit andernfalls entfallender Unterstützung des angegriffenen Landes durch die USA.
Was können die europäischen Staaten tun, um ihrem mantrahaft vorgetragenen Satz „für einen gerechten und dauerhaften Frieden einzutreten“ näher zu kommen? Da der Waffenstillstand vor Verhandlungen nicht durchgesetzt wird, wirken die von Bundeskanzler Friedrich Merz vorgestellten positiven Punkte des Treffens sehr problematisch. Den Verlauf der Frontlinie zum Ausgangspunkt der Verhandlungen zu setzen, ist ein zweischneidiges Schwert. Denn Putin setzt seinen Krieg fort und wird die Frontlinie zu seinen Gunsten verändern wollen. Zurzeit ist zu erkennen, dass ihm das, wenn auch in kleinen Schritten, gelingt. Und niemand weiß, wie lange Putin bereit ist, Ergebnisse von Verhandlungen zu verzögern, weil die „root causes“ noch nicht behoben sind.
Wenn man die Frontlinie als Ausgangspunkt artikuliert, dann müsste es im Interesse des reklamierten „dauerhaften und gerechten Friedens“ liegen, die Ukraine in die Lage zu versetzen, ihrerseits die Frontlinie zur Befreiung von weiteren Teilen ihres Landes zu verändern. Aber schon seit zwei Jahren ist nicht erkennbar, dass die westlichen Staaten diese Umkehr mit eigenen Mitteln zu unterstützen bereit sind. Dann bleibt aber die Frontlinie für Putin eine für die Unterwerfung der Ukraine bewegliche Linie.
Zum anderen hebt Merz besonders positiv hervor, Trump habe Bereitschaft „angedeutet“, dass die USA sich an (späteren) Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen könnten. Wenn diese Sicherheitsgarantien weiter so vage bleiben, der Krieg gegen die Ukraine von Putin weiter vorangetrieben wird und solche Garantien ja offensichtlich auch erst nach einem „Friedensschluss“ wirksam werden sollen, dann kann der Fall eintreten, dass zu diesem Zeitpunkt wegen weiterer russischer Erfolge eine Ukraine ganz anders aussieht als die ständig deklarierten Zielsetzungen von einer „freien, unabhängigen, souveränen und territorial wiederhergestellten Ukraine“ vorgaukeln. Das bedeutet ein weiteres Risiko. Alle Sicherheitsgarantien müssen – wenn ein schneller NATO-Beitritt nicht möglich ist – überzeugend sein. Dies verlangt, mindestens die volle Mitwirkung bei kollektiver und individueller Selbstverteidigung gem. Artikel 51 der VN-Charta zuzusagen.
Wenn die Europäer hinnehmen (müssen), dass im laufenden Krieg verhandelt werden soll, dann muss der Kriegführung herausragende Aufmerksamkeit zukommen. Andernfalls gibt man dem Gegner Pfunde in die Hand, über die er nicht mehr zu verhandeln bereit sein wird. Wenn das (noch) freie Europa dem „Unterwirf dich“ aus der Richtung des Aggressors und dessen, der den Konflikt loswerden will, erfolgreich entgegentreten will, muss die Unterstützung der Ukraine auf allen Gebieten, aber v. a. zur Befreiung von Gebieten, schnell und massiv verstärkt werden.
Dazu gehört, dass die Sanktionen verschärft, Lücken geschlossen und die von Trump ins Gespräch gebrachten Sekundärsanktionen durch Zölle beim Kauf von russischem Öl und Gas in Kraft gesetzt werden. Nach den Gesprächen am Montag in Washington von Trump mit Selenskyj und vielleicht europäischen Regierungschefs wird erkennbar werden, wie stark Trump versuchen wird, das mit Putin „weitgehend Vereinbarte“ durchzudrücken.
Ein mit erheblichen Gewinnen für Putin aufgezwungener „Frieden“ wird gegenüber einem Land, das bereits über elf Jahre für seine Freiheit kämpft, keinen Bestand haben. Es kommt in diesem Angriffskrieg Russlands nicht darauf an, der Ukraine (um des lieben Friedens willen) etwas aufzuzwingen, sondern den Aggressor zurückzuweisen. Wenn Europa das in der Ukraine noch nicht einsieht, wird es dieser Notwendigkeit später unter noch schwierigeren Umständen und weit höherem Aufwand und Kosten begegnen müssen.
Generalleutnant a.D. Dr. Klaus Olshausen war von 2006 bis 2013 Präsident der Clausewitz-Gesellschaft und kommentiert regelmäßig die Geschehnisse in der Ukraine. Dr. Olshausen war Deutscher Militärischer Vertreter im Militärausschuss der NATO, bei der WEU und EU, HQ NATO, Brüssel.
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